Nach dem Prototyp kommt das Minimal Viable Product (MVP): Damit wird es möglich, mit möglichst geringem Aufwand maximales Wissen über eure Kund*innen und die Zielgruppe zu sammeln und eure Lösung unter realen Bedingungen zu testen. Die Erweiterung um weitere Impact-Indikatoren hilft, auch kurz- und mittelfristige Veränderungen bei eurer Zielgruppe zu erfassen. Wichtig: Sowohl der Prozess des MVP-Entwickelns als auch die Wirkungsmessung sind iterativ und sollten für den größtmöglichen Impact fortlaufend an neueste Erkenntnisse angepasst werden.
Hier bist du richtig, wenn …
- du ein Impact-Startup gründen möchtest oder mit deinem Team schon mittendrin steckst.
- ihr eure Zielgruppe sowie Problem, Lösung und Impact klar benennen könnt.
- ihr einen validierten Prototyp entwickelt habt.
- ihr für eure Lösung einen ersten Wirkungsbeleg auf Outcome-Ebene erhalten habt.
- ihr für eure Lösung einen Markt identifiziert habt und sie skalierbar ist.
- ihr ein initiales Geschäftsmodell entwickelt habt.

Ihr seid noch nicht so weit?
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Dieses Kapitel hilft dabei, …
- ein Minimal Viable Product (MVP) zu entwickeln.
- die Wirkungsmessung für eure Lösung auf die Outcome-Ebene zu erweitern.
Hier geht es um die Zielgruppe, die von eurer Lösung profitiert. Das heißt, der Fokus liegt darauf, die Lösung wirkungsvoller und gesellschaftlich relevanter zu machen.
Mit dem geschäftsorientierten und finanziellen Bereich befassen wir uns hier.
MVP und Prototyp: Das sind die Unterschiede
Ein Prototyp und ein Minimum Viable Product (MVP) sind zwei wichtige Konzepte in der Produktentwicklung, die sich in mehreren Aspekten unterscheiden:
- Zweck und Funktionalität: Ein Prototyp dient primär zur Visualisierung des Produktdesigns und zum Testen verschiedener Konzepte. Er hat begrenzte Funktionen und repräsentiert die erste greifbare Form einer neuen Idee. Ein MVP hingegen enthält die essenziellen Funktionen für ein funktionsfähiges Produkt und wird genutzt, um Benutzerfreundlichkeit, Design und Gesamtfunktionalität basierend zu testen.
- Einsatzbereich und Entwicklungsphase: Prototypen werden hauptsächlich intern im Startup oder von einer kleinen Gruppe von Zielbenutzer*innen getestet. MVPs werden auf einem breiteren Marktsegment getestet und stellen die erste der Öffentlichkeit zugängliche Ausgabe dar. Sie repräsentieren die einfachste Version eines vollständigen Produkts, das den Nutzer*innen bereits einen Mehrwert bietet.
- Einsatzzweck und Ausgereiftheit: Prototypen dienen vollends zu internen Testzwecken und kommen nicht live zum Einsatz. Die angewandten Ideen sind häufig noch nicht ausgereift und deshalb sehr fehleranfällig. MVPs hingegen werden im Livebetrieb mit echten Kund*innenen getestet. Sie sind zwar minimal, aber bereits für den Einsatz bei Kund*innenen geeignet und funktionsfähig.
- Zielsetzung: Prototypen zielen darauf ab, Fehlerquellen auszumachen und die Darstellung auf verschiedenen Endgeräten zu testen. MVPs dienen dazu, schnell erste Ergebnisse im Markt zu erzielen und Erfahrungen für die Entwicklung der größeren, kompletten Lösung zu sammeln.
Entwicklung eines MVP und weiterer Wirkungsindikatoren
Bevor ihr startet, solltet ihr definieren, welche Funktionen euer MVP unbedingt haben muss und welche ihr erst später hinzufügen könnt:
1. Priorisiert Funktionen/Aspekte eures MVP
Erstellt eine Feature-Liste und sammelt alle potenziellen Elemente für eure Lösung. Kategorisiert die Elemente nach der MoSCoW-Methode und priorisiert die Elemente in jeder Kategorie nach Wichtigkeit.
Die MoSCoW-Methode
Die MoSCoW-Methode ist ein Priorisierungstool, das dabei hilft, Funktionen und Anforderungen eures MVP zu bewerten und nach ihrer Wichtigkeit zu ordnen. Die Methode teilt die Anforderungen in vier Kategorien ein:
- Must have: Unverzichtbare Elemente, ohne die das MVP nicht funktioniert. Sie sind essenziell für die grundlegende Funktionsfähigkeit der Lösung oder die Erfüllung der Kernbedürfnisse der Zielgruppe.
- Should have: Wichtige Elemente, die einen Mehrwert bieten, aber nicht sofort notwendig sind. Sie sollten idealerweise integriert werden, können aber zurückgestellt werden, wenn Zeit oder Ressourcen knapp sind.
- Could have: Wünschenswerte Elemente, die aber für die Kernfunktionalität der Lösung nicht entscheidend sind. Sie können später eingebaut werden, wenn es die Zeit und Ressourcen erlauben.
- Won’t have (this time): Elemente, die bewusst für die aktuelle Version ausgeschlossen werden.

Konzentriert euch zunächst auf die „Must haves“. Entwickelt das MVP zuerst mit den wichtigsten Elementen, die den größten Einfluss auf den Erfolg eurer Lösung haben. Im Kapitel „Solution Design für Impact-Startups: Reality-Check für Lösungsideen“ nutzen wir die Impact-Effort-Matrix, die ihr hier auch anwenden könnt.
Ressourcenplanung für den Bau des MVP
Plant von Anfang an, welche Ressourcen ihr benötigt. Eine gute Planung hilft Ihnen, das richtige Gleichgewicht zwischen Über- und Unterallokation von Ressourcen zu finden. Dies ist entscheidend, um ein funktionales und wertvolles Produkt zu liefern, ohne das Team oder das Budget zu überfordern
1. Identifiziert benötigte Ressourcen
Zerlegt euer Projekt in kleinere, überschaubare Arbeitspakete und schätzt den Aufwand für jedes. Legt fest, welche Ressourcen ihr benötigt. Mögliche Ressourcen sind:
Personal: z. B. Entwickler*innen, Designer*innen, Projektmanager*innen, Workshop-Leiter*innen
Technologie: z. B. Entwicklungstools, Server und Lizenzen
Finanzen: z. B. Budget für Entwicklung, Marketing und externe Dienstleistungen
2. Plant eure Personalressourcen
Verteilt die Arbeitspakete im Team unter Berücksichtigung der Auslastung der Mitarbeitenden. Bereitet euch auf unvorhergesehene Herausforderungen vor, indem ihr Zeitpuffer einbaut. Durch eine klare Ressourcenzuordnung und frühzeitige Erkennung von Engpässen könnt ihr eure Arbeitsabläufe effizienter gestalten und beugt gleichzeitig Überlastung und langfristige Ausfälle im Team vor.
3. Kalkuliert eure Kosten
Kalkuliert eure Kosten, indem ihr Personalkosten, zusätzliche Technologiekosten und eventuelle externe Dienstleister*innen schätzt. Eine genaue Kostenkalkulation hilft euch, ein realistisches Budget festzulegen und zu verwalten. Ebenso hilft euch eine detaillierte Kostenaufstellung in Gesprächen mit potenziellen Investor*innen und erhöht eure Chancen auf Finanzierung.
Entwickeln von Indikatoren für die Impact-Ziele
Nun geht es daran, die richtigen Metriken auszuwählen, um den tatsächlichen Impact des MVP bis Stufe 6 der Wirkungstreppe messbar zu machen.

1. Fokussiert euch auf Outputs und Outcomes
Messungen bis Stufe 6 zeigen, ob das MVP tatsächlich zu einer messbaren Verbesserung in der Lebenslage eurer Zielgruppe führt.
Warum sollte hier bis Stufe 6 gemessen werden?
Nachweis der tatsächlichen Veränderung
Ihr erfasst nicht nur Veränderungen im Bewusstsein und Verhalten (Stufen 4 und 5), sondern auch konkrete Verbesserungen in der Lebenslage der Zielgruppe (Stufe 6)
Frühzeitige Impact-Messung
Obwohl das MVP noch nicht die volle Wirkung des ausgereiften Produkts hat, könnt ihr durch die Messung bis Stufe 6 frühzeitig Hinweise auf den gesellschaftlichen Impact (Stufe 7) erhalte
Validierung des Konzepts
Ihr könnt besser beurteilen, ob das MVP das Potenzial hat, langfristige Veränderungen zu bewirken.
Frühzeitig Herausforderungen erkennen
Metriken bis Stufe 6 helfen dabei, Hindernisse frühzeitig zu erkennen.
Bessere Entscheidungsgrundlage
Mit Daten bis zur Stufe 6 könnt ihr fundierte Entscheidungen über die Weiterentwicklung oder Anpassung des MVP treffen.
Stärkere Argumentation für Stakeholder
Nachweise über Veränderungen in der Lebenslage der Zielgruppe (Stufe 6) sind überzeugender für Investor*innen und Partner*innen.
Beispiele für Indikatoren bis Stufe 6 der Wirkungstreppe:
Stufe 1 – Aktivitäten finden wie geplant statt
- Anzahl der durchgeführten Workshops/Trainings/Veranstaltungen
- Prozentsatz der planmäßig umgesetzten Projektaktivitäten
- Anzahl der eingesetzten Mitarbeitenden/Freiwilligen
- Menge der verteilten Materialien (z. B. Flyer, Lehrbücher)
- Einhaltung des Zeitplans für Projektmeilensteine
- Anzahl entwickelte oder hergestellte Produkte
- Anzahl der gepflanzten Bäume in einem Aufforstungsprojekt
Stufe 2 – Zielgruppen werden erreicht
- Anzahl der Anmeldungen/Registrierungen für ein Programm
- Reichweite in verschiedenen Kommunikationskanälen (z. B. Social-Media-Follower, Newsletter-Abonnent*innen)
- Anzahl Kund*innen, die das Produkt kennen
- Fläche der renaturierten Gebiete in Hektar
Stufe 3 – Zielgruppen akzeptieren Angebote
- Teilnahmequote an Veranstaltungen/Programmen
- Abschlussquote von Kursen oder Programmen
- Kauf- oder Nutzungsrate von angebotenen Dienstleistungen oder Produkten
- Zufriedenheitsrate der Teilnehmenden
- Wiederkehrende Nutzung, Kauf oder Teilnahme an Angeboten
- Überlebensrate der neu gepflanzten Bäume nach 6 Monaten
Stufe 4 – Zielgruppen verändern Bewusstsein bzw. Fähigkeiten
- Anzahl der Teilnehmenden, die neues Wissen über ein bestimmtes Thema erlangt haben
- Veränderung in der Einstellung der Zielgruppe gegenüber einem Thema
- Anzahl der Personen, die nach einer Schulung oder einem Workshop neue Fähigkeiten demonstrieren können
- Gesteigerte Motivation, das eigene Verhalten zu verändern, durch extrinsische oder intrinsische Anreize
- Gesteigerte Anzahl an Gelegenheiten, eigene (neue) Fähigkeiten anzuwenden
- Anzahl der Kund*innen, die nach dem Kauf die Produkteigenschaften korrekt beschreiben können
- Zunahme der Artenvielfalt in renaturierten Gebieten
Stufe 5 – Zielgruppe ändert ihr Handeln
- Anzahl der Personen, die aufgrund der Teilnahme, Nutzung oder Kauf ein neues Verhalten annehmen, z. B. nachhaltigere Konsumgewohnheiten
- Anzahl der Teilnehmenden, die sich aktiv in neuen Initiativen oder Projekten engagieren
- Anzahl neuer Kooperationen oder Partnerschaften, die aufgrund der Initiative geschlossen wurden
- Rückkehr bedrohter Arten in das Ökosystem
Stufe 6 – Lebenslage der Zielgruppe ändert sich
- Prozentsatz der Zielgruppe, deren soziale oder wirtschaftliche Lage sich verbessert hat (z. B. durch einen besseren Job oder höhere Bildungschancen)
- Anzahl der Personen, deren Einkommen oder finanzielle Stabilität sich durch die Teilnahme, Kauf oder Nutzung erhöht hat
- Verbesserungen im Gesundheitszustand oder Wohlbefinden der Zielgruppe
- Verbesserung der Kund*innenzufriedenheit in Bezug auf den adressierten Problembereich
- Verbesserung der Luftqualität in einer Stadt gemessen an Feinstaub- und NO2-Werten
- Erhöhung der CO2-Bindung durch wiederaufgeforstete Flächen
2. Setzt klare Ziele
Setzt klare, messbare, realistische und zeitlich begrenzte Ziele für eure Impact-Indikatoren, indem ihr sie nach den SMART-Kriterien formuliert:
- Spezifisch: muss klar definiert und eindeutig sein.
- Messbar: muss quantifizierbar sein.
- Attraktiv: muss relevant für dein Ziel sein.
- Realistisch: muss mit deinen verfügbaren Ressourcen erreichbar sein.
- Terminiert: muss zeitlich begrenzt sein. Setze einen Zeitrahmen von zwei bis vier Monaten.
3. Bestimmt eine Baseline
Die Baseline ist der Ausgangswert, der als Referenzpunkt dient, um den Zustand vor und nach euren Maßnahmen zu vergleichen (z. B. Anzahl von Menschen mit Bewusstsein für Bedeutung gesunder Ernährung oder mit Fähigkeiten in Stressresilienz).
Die Baseline solltet ihr idealerweise durch offizielle Statistiken festlegen und nicht durch Selbsteinschätzung festsetzen. Das könnte die Gefahr von Impact Washing erhöhen.
4. Implementiert ein Messsystem und erstellt einen Datenerhebungsplan
Indem ihr Ziele, Indikatoren, Datenquellen und Verantwortlichkeiten definiert, schafft ihr eine solide Grundlage für euer MVP und stellt sicher, dass alle wichtigen Aspekte berücksichtigt werden. Den Datenerhebungsplan könnt ihr z. B. in Excel erstellen. Er sollte folgende Spalten haben:
Ziel
Indikator
Basis-Wert (Baseline)
Soll-Wert
Datenquelle, z. B. interne Dokumente, Befragungen, Beobachtungen oder externe Quellen
Erhebungsmethode, z. B. Fragebogen, Interviews, Beobachtungen oder Dokumentenanalysen
Wann/wie oft wird erhoben?
Wer erhebt die Daten?
Wer wertet die Daten aus?
5. Präsentiert eure Wirkungsdaten ansprechend und leicht verständlich, z.B. in einem Impact Dashboard
Impact Dashboards bieten einen schnellen Überblick über eure wichtigsten KPIs, ohne zahlreiche Einzelberichte durchgehen zu müssen und ermöglichen es euch, Trends in eurem Impact frühzeitig zu erkennen und datenbasierte Entscheidungen schneller zu treffen. Zudem sorgen sie für erhöhte Transparenz für verschiedene Stakeholder.
Ihr könnt euer Impact Dashboard in z.B. einer Excel-Tabelle aufbauen, oder auch dafür spezialisierte Tools nutzen. Das hängt von euren Ansprüchen und Ressourcen ab.
Nächstes Kapitel: Reality-Check
Ihr seid nun gut aufgestellt, um ein MVP zu entwickeln, das nicht nur funktioniert, sondern echten Impact erzielt.
Sobald das MVP fertig ist, empfehlen wir, den Realitäts-Check zu machen. Das könnt ihr im nächsten Kapitel tun, indem ihr belastbare Daten zur Akzeptanz und Wirksamkeit eurer Lösung sammelt und überprüft, ob und wie es skalierbar ist.